Auf jedem Reitturnier sind Besucher gern gesehen. Bringen doch die Besucher erst die richtige Atmosphäre und meist für den Veranstalter auch ein wenig Geld, wenn der Turnierveranstalter eine Verpflegung mit Essen und Trinken, Kaffee und Kuchen anbietet.
Wer ist verantwortlich, wenn die Besucher ein kleines Kind mitbringen und sich das kleine Kind wegen fehlender Beaufsichtigung auf den Weg macht und eines oder mehrere Reitpferde besucht, welche sich auf dem Transporterplatz in einem Pferdeanhänger befinden und es dort zum Unfall zwischen Pferd und Kind kommt?
Der Sachverhalt:
Auf einem Reitturnier entfernt sich ein 3-jähriges Kind mit einem weiteren 4-jährigen Kind von seinen Eltern und geht zum Transporterplatz auf dem sich der Pferdeanhänger der Klägerin befindet, in dem das Pferd der Klägerin sowie ein weiteres Pferd der Turnierteilnehmerin abgestellt sind, die die Klägerin begleitet.
Nachdem die Turnierteilnehmerin, die die Klägerin begleitete, mit den Pferden verschiedene Wettkämpfe bestritten hatte, wurden diese in den Pferdeanhänger verbracht, angebunden und von hinten mit einer Haltestange gesichert. Die Rampe am Heck des Pferdeanhängers und Luken im seitlichen Frontbereich waren wegen der hohen Lufttemperatur geöffnet. Danach verließen die Klägerin und die von ihr begleitete Turnierteilnehmerin den Pferdeanhänger.
Zunächst fütterte das 3-jährige Kind der Beklagten von außen eines der Pferde. Dann stieg es in den Pferdeanhänger, wo es von einem Huf des Pferdes der Klägerin am Kopf getroffen wurde.
Die Klage:
Die Klägerin und die hinter ihr stehende Haftpflichtversicherung sowie die Turnierteilnehmerin und der Veranstalter des Turniers wurden von den Eltern im Namen des 3-jährigen Kindes auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Daraufhin erhoben die Klägerin mit dem Turnierveranstalter Klage auf Freistellung von den Schadensersatzansprüchen und die Haftpflichtversicherung Klage auf Erstattung geleisteter Zahlungen gegen die Eltern.
Das Landgericht in erster Instanz gab der Klägerin und der Haftpflichtversicherung zu 2/3 Recht und verurteilte die beklagten Eltern auf Freistellung der Klägerin in Höhe von 2/3 der die Klägerin belastenden Schadensersatzansprüche und auf Erstattung in Höhe von 2/3 der von der Haftpflichtversicherung vorgenommenen Zahlungen.
Auf die Berufung hin änderte das Oberlandesgericht die Quote auf 1/3 zu Lasten der Klägerin und der Haftpflichtversicherung. Da beide Seiten, sowohl Kläger wie Eltern Revision einlegten, musste der Bundesgerichtshof entscheiden und änderte die Entscheidung des Oberlandesgerichts ab.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 19.01.2021, Az. VI ZR 210/18):
Insbesondere stellte der Bundesgerichtshof aber folgendes vorneweg klar:
Zunächst haften erst einmal die Eltern des 3-jährigen Kindes wegen Aufsichtspflichtverletzung und zwar beide Elternteile, da sich ein Elternteil, wenn keine Absprachen getroffen sind, nicht ohne weiteres darauf verlassen darf, dass der andere das Nötige tun wird. Darüber hinaus haften die beklagten Eltern mit weiteren verantwortlichen Schädigern als Gesamtschuldner.
Sodann stellte der Bundesgerichtshof heraus, dass im Innenverhältnis zwischen den Eltern und weiteren verantwortlichen Schädigern, hier der Klägerin, aber die Eltern allein haften.
Im Innenverhältnis zur Klägerin sind allein die Eltern verantwortlich.
Weder die Klägerin und der Turnierveranstalter noch die von der Klägerin begleitete Turnierteilnehmerin haften wegen Verschuldens. Daher wurden die Eltern verurteilt, auch die von der Haftpflichtversicherung geleisteten Zahlungen zu erstatten.
Die entscheidende Frage im Rechtsstreit:
Streitig war hier die Frage der Absicherung der Pferde auf dem Pferdeanhänger im Verhältnis zur Aufsichtspflicht der Eltern.
Während das Oberlandesgericht noch der Ansicht war, dass die Klägerin und/oder der Turnierveranstalter dafür Sorge tragen müssen, dass nicht unbefugte Kinder in Pferdeanhänger klettern, stellte der Bundesgerichtshof klar, dass dieses nicht Aufgabe der Klägerin und des Turnierveranstalters ist.
So reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Pferdebesitzer oder Reiter für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die den Umständen nach zuzumuten sind.
Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so muss der Geschädigte - so hart dies im Einzelfall sein mag - den Schaden selbst tragen.
Der Tierhalter, der Pferde hält, ist für deren sichere Unterbringung verantwortlich. Die sich hieraus ergebenden Pflichten bestehen in besonderem Maße dann, wenn der Gefahrenbereich der Tiere für Kinder zugänglich ist.
Allerdings darf sich der verkehrssicherungspflichtige Tierhalter in gewissem Umfang darauf verlassen, dass die für ein Kind Verantwortlichen ein Mindestmaß an sorgfältiger Beaufsichtigung wahrnehmen.
Die Klägerin und der Veranstalter durften sich unter den Umständen des vorliegenden Falles darauf verlassen, dass Kleinkinder so beaufsichtigt werden, dass sie nicht in den Pferdeanhänger der Klägerin gelangen können.
Im Ergebnis stellte der Bundesgerichtshof (für alle Turnierveranstalter) klar:
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hätten die Klägerin und der Turnierveranstalter nicht durch eine Aufsicht sicherstellen müssen, dass sich Kinder nicht dem Pferdeanhänger der Klägerin unbeaufsichtigt nähern.
Gleiches gilt für die die Klägerin begleitende Turnierteilnehmerin. Auch diese musste keine Vorkehrungen treffen, um zu verhindern, dass sich Kinder in den Pferdeanhänger der Klägerin begeben.