Bei Ausritten kommt es häufig zu der Situation, dass sich ein Reiter mit Pferd und ein Fahrradfahrer im Gegenverkehr begegnen. Der Vorteil des Gegenverkehrs ist, es können sich alle auf ein Vorbeifahren einstellen und die Begegnung passiert ohne große Probleme. Anders ist es jedoch, wenn der Radfahrer mit einem Liegefahrrad, an dem eine Fahne befestigt ist, von hinten kommt und das Pferd mit Reiter überholen will. Wer haftet beim Unfall?
Der Sachverhalt:
Der Kläger befuhr mit seinem Trike (dreirädriges Liegefahrrad), an dem sich eine Fahne befand, einen Fahrradweg neben einer Landstraße. Die Zeugen A und B ritten mit zwei Pferden der Beklagten auf dem Fahrradweg in entgegengesetzter Richtung. Als die Reiter den Trikefahrer erkannten, wendeten sie ihre Pferde. Als der Kläger von hinten kommend in einem Abstand von 1 Meter links an den Pferden vorbeifahren wollte, schlug das von der Zeugin A geführte Pferd der Beklagten aus und traf das Trike. Der Kläger wurde mit dem Trike in das neben dem Fahrradweg befindliche Feld geschleudert. Das Trike wurde beschädigt und der Kläger verletzt.
Die Klage:
Mit der vor dem Landgericht erhobenen Klage hat der Kläger Schmerzensgeld, Ersatz von Behandlungskosten, Reparaturkosten des Trike und weiteren Schadensersatz geltend gemacht.
Die Entscheidung (Landgericht Frankenthal Urteil vom 05.06.2020 Az. 4 O 10/19):
Das Landgericht hat dem Kläger lediglich rund die Hälfte seiner geltend gemachten Ansprüche zugesprochen und dies damit begründet, dass der Radfahrer sich wegen zu geringen Sicherheitsabstandes ein 50 prozentiges Mitverschulden anrechnen lassen muss. Grundsätzlich gilt, dass der Halter des Pferdes gemäß § 833 Satz 1 BGB haftet, wenn ein Liegefahrrad von dem Huf eines ausschlagenden Pferdes getroffen wird, weil sich die typische Tiergefahr realisiert hat.
Dem Radfahrer ist aber ein hälftiges Mitverschulden anzulasten. Denn gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 StVO, der auch auf Radwegen gilt und zwar unabhängig davon, dass die Reiter den Radweg nicht benutzen durften, muss beim Überholen ein ausreichender Seitenabstand zu anderen Verkehrsteilnehmern eingehalten werden.
Welcher Abstand geboten ist, hängt von den konkreten Bedingungen des Einzelfalls ab. Der Abstand muss aber so groß sein, dass Schreckreaktionen der überholten Verkehrsteilnehmer nicht zu erwarten sind. Beim Überholen von Pferden ist gehörig Abstand zu halten, weil mit Schlenkern und mit einer plötzlichen Reaktion des Pferdes gerechnet werden muss, so dass ein Seitenabstand von wenigstens 1,5 bis etwa 2 m einzuhalten ist.
Der Kläger ist in einem Abstand von einem „guten Meter“ zu dicht an dem Pferd vorbeigefahren, denn als das Pferd dann ausgetreten hat, ist er seitlich neben dem Pferd, mit dem Oberkörper ca. 30-40 cm seitlich hinter den Hinterbeinen gewesen.
Dass ein größerer Abstand aufgrund der geringen Breite des Radweges nicht eingehalten werden konnte, kann den Kläger nicht entlasten. Es war ihm unbenommen, sich mit den Reitern über die Möglichkeit eines Passierens oder eines Ausweichortes zu verständigen.
Außerdem hat der Kläger beim Annähern an ein Pferd von hinten mit einem zu geringen Abstand einen eigenen Verletzungsbeitrag gesetzt, indem er sich mit einem ungewöhnlichen und für das Pferd unbekannten Fahrzeug genähert hat, was eine Schreckreaktion des Pferdes noch begünstigte.
Im Ergebnis führt das Verhalten des Klägers dazu, dass sein Verursachungsbeitrag mit 50% zu gewichten ist.