Kann einem Hufschmied für eine Verletzung aufgrund eines Pferdetritts ein Mitverschulden vorgeworfen und angerechnet werden?
Der Sachverhalt:
Der Beklagte ist Halter eines Wallachs. Der Kläger ist Hufschmied und war an diesem Tage beauftragt worden, die Hufe des Pferdes auszuschneiden. Er wurde begleitet von seinem Mitarbeiter, dem Zeugen C.
Nachdem die Vorderhufe ausgeschnitten waren, hat der Kläger das Pferd einen halben Schritt nach vorne gezogen, um es aus arbeitstechnischen Gründen parallel zur Wand der Stallgasse zu stellen. Während dieses halben Schrittes nach vorne habe das Pferd unvermittelt dem sich im Abstand von einem Meter seitlich daneben befindlichen Zeugen C in Bauch und Hüfte getreten.
Sodann hat der Kläger einen Notruf abgesetzt und sich auf den Hof begeben, um die ihm nicht bekannte genaue Hausnummer für die Rettungskräfte zu erfragen. Sodann sei er in die Stallgasse zurückgegangen, um dem Zeugen C erste Hilfe zu leisten. Dafür habe er das Pferd passieren müssen. In diesem Moment habe sich die Notrufzentrale telefonisch zurückgemeldet, als er gerade wieder in die Stallgasse gelangt sei. Das Pferd habe sich erneut gedreht und mit der Hinterhand ausgeschlagen, wobei der Kläger am linken Knie getroffen worden ist und eine komplette Ruptur des vorderen Kreuzbandes, eine Ruptur des medialen Kollateralbandes und weitere Verletzungen erlitten hat.
Die Klage:
Mit der Klage macht der Kläger Schadensersatz und Schmerzensgeld für die Verletzungen aus Anlass des Pferdetritts geltend.
Der Beklagte verteidigt sich damit, dass der Kläger sich ein Eigenverschulden entgegenhalten lassen muss. Durch das vorangegangene Austreten des Pferdes sei der Kläger gewarnt gewesen. Er hätte es vermeiden müssen, sich dem Pferd seitlich oder von hinten zu nähern und zur Hilfeleistung einen anderen Weg zum Mitarbeiter nehmen können.
Die Entscheidung des Landgerichts Paderborn:
(Urteil vom 22.11.2019 Az. 2 O 152/19)
Das Landgericht hat dem Kläger einen Anspruch auf gerichtliche Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für alle Schäden aus Anlass des Unfalls des Klägers, allerdings nur unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils des Klägers von 50%, zugesprochen.
Begründet hat das Gericht die Entscheidung damit, dass der Kläger durch das zweifache Austreten des Pferdes gegenüber seinem Mitarbeiter C im Vorfeld hinreichend vor der Gefährlichkeit des Pferdes gewarnt war. Auch wenn ein alternativer Weg zu seinem Mitarbeiter aufgrund der örtlichen Verhältnisse nicht zur Verfügung gestanden hat, durfte der Kläger sich - nach diesem Vorgeschehen - dem Pferd nicht ohne hinreichende Eigensicherung von hinten so weit nähern, dass der Kläger von dem Pferd getreten werden konnte.
Insoweit hätte es ihm vielmehr oblegen, zunächst das Pferd mit entsprechenden Hilfsmitteln zum Umdrehen zu veranlassen und es wegzuführen bzw. in eine der leeren Boxen, vor denen es angebunden war, zu stellen, anstatt den Versuch zu unternehmen, von hinten an dem Pferd auf der Stallgasse vorbeizugehen.
Bei Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ergibt sich damit eine Mithaftungsquote des Klägers von 50%.
Die Berufung brachte nichts:
Die Berufung des Klägers gegen das vorgenannte Urteil mit dem Ziel, 100 % seiner Ansprüche durchzusetzen, hatte keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht begründete dies damit, dass der Kläger die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat, indem er sich von hinten dem Pferd näherte und dabei auch noch telefonierte.